06.08.2024
Reziprokes Lesen in der Oberstufe | Mit Rollenkarten als PDF
Oberstufenschülerinnen und -schüler haben den Kopf voller wichtiger Dinge – nicht immer drehen die sich ausgerechnet um den Unterricht. Mit der Methode des reziproken Lesens haben Sie als Lehrkraft ein Tool an der Hand, das fesseln und begeistern kann. Ihre Oberstufenschülerinnen und -schüler tauchen in komplexe Texte ein, diskutieren lebhaft ihre Erkenntnisse und verbessern dabei ihre analytischen Fähigkeiten. Diese interaktive Strategie verwandelt Lesen in einen dynamischen, kooperativen Prozess.
Reziprokes Lesen: Definition
Kurzgesagt: Reziprokes Lesen ist eine kooperative Lernmethode, in der Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen zusammenarbeiten, um den Inhalt eines Textes besser zu verstehen.
Die Methode basiert auf dem Prinzip des gegenseitigen Lehrens und Lernens, bei dem abwechselnd die Rollen "Lehrkraft" und "Schülerin/Schüler" eingenommen werden. Besonders in der Oberstufe ist reziprokes Lesen eine effektive Strategie, um Textverständnis und analytische Fähigkeiten zu verbessern. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Text hilft Schülerinnen und Schülern, sich auch stark verdichtete Texte selbständig zu erschließen.
Warum sind kooperative Lernmethoden sinnvoll?
Beim kooperativen Lernen arbeiten Schülerinnen und Schüler in kleinen Gruppen zusammen, um gemeinsame Lernziele zu erreichen. Das fördert Interaktion und Zusammenarbeit, was wiederum zu einem tieferen Verständnis des Lernstoffs und zur Entwicklung sozialer Kompetenzen führt.
Jedes Gruppenmitglied ist dabei für seinen eigenen Lernfortschritt sowie den Beitrag zur Gruppe verantwortlich. Der Erfolg des Einzelnen hängt somit auch vom Erfolg der gesamten Gruppe ab. Die Gruppe reflektiert regelmäßig Zusammenarbeit und Lernfortschritt, um Verbesserungen vorzunehmen.
Reziprokes Lesen: Vorbereitung durch die Lehrkraft
Es braucht Zeit und Übung, um reziprokes Lesen im Unterricht zu etablieren. Als Lehrkraft müssen Sie die Lesezyklen anfangs noch begleiten und in den Gruppen unterstützen. Eine gute Vorbereitung ist deshalb unerlässlich. Planen Sie für eine Einheit etwa ein bis zwei Schulstunden ein.
Unser Tipp: Wird die Methode regelmäßig angewendet (am besten fächerübergreifend), greift sie umso besser!
1. Textauswahl und Einteilung
Zunächst liegt es an Ihnen, einen ansprechenden und altersgerechten Text auszusuchen. Dabei kommen sowohl literarische Geschichten als auch Sachtexte in Frage. Der Schwierigkeitsgrad sollten sie so wählen, dass einzelne Schülerinnen und Schüler schon beim sinnverstehenden Lesen Mühe hätten und deshalb zum Verständnis des Textes die Unterstützung der Gruppe bräuchten.
Teilen Sie den Text anschließend in sinnvolle und übersichtliche Abschnitte von etwa vier bis sechs Sätzen ein. Nutzen Sie dafür zum Beispiel farbige Textmarker. Wir empfehlen hier gerne die Marke STAEDTLER.
2. Heterogene Gruppen bilden
Teilen Sie die gesamte Klasse in kleine Gruppen mit vier oder fünf Personen auf. Setzen Sie die Lesegruppen hinsichtlich ihrer Lesekompetenz heterogen zusammen. In jeder Gruppe muss mindestens eine lesestarke Schülerin oder ein lesestarker Schüler sein.
3. Informationsquellen bereitstellen
Stellen Sie zur Klärung von Fragen verschiedene Nachschlagewerke, einen Computer mit Internetzugang und andere Informationsquellen bereit.
4. Rollen verteilen
Geben Sie in jeder Lesegruppe Rollenkärtchen aus, mit denen die vier Lesestrategien an einzelne Teammitglieder verteilt werden. Jeder Teilnehmende übernimmt eine Rolle. Bei Fünfergruppen schlüpft der fünfte Jugendliche in die Rolle der "Lehrkraft" und moderiert den ersten Lesezyklus.
Reziprokes Lesen: Rollenkarten als PDF zum Download
Die Rollenkarten können Sie ganz einfach selbst gestalten oder am Anfang der Sessions von den Gruppen basteln lassen. Eine PDF-Vorlage stellen wir von ERREN Ihnen hier bereit. Laden Sie sie herunter, und drucken Sie sie aus. Lassen Sie die Schülerinnen und Schüler die Pfeile ausschneiden und die einzelnen Rollenkarten farbig gestalten.
Unser Tipp: Wenn Sie die Rollenkarten laminieren, bleiben sie Ihnen lange erhalten und sind stets aufs Neue schnell einsetzbar.
Ihre zuverlässigen Partner für reziprokes Lesen sind die vielfältigen Produkte STAEDTLER. Mit leuchtenden Textmarkern können Passagen im Text markieren, mit Bunt- und Filzstiften Rollenkarten gestalten und die Farbstifte und Fineliner sind zuverlässige Sparringpartner für Ihre Schülerinnen und Schüler in der Bearbeitung der Texte. Übrigens: STAEDTLER hat viele weitere Produkte im Sortiment, die Ihnen helfen, Ihre Unterrichtsvorbereitung optimal zu entfalten und Ihren Schulalltag bunter zu gestalten.
Die Rollen beim reziproken Lesen
Die Einteilung der Schülerinnen und Schüler in verschiedene Rollen bringt unterschiedliche Blickwinkel und Fragen ein, was zu einem tieferen Verständnis des Textes führt und hilft, Texte strukturiert und effektiv zu erfassen.
Der (Er-)Klärer
Der Klärer benennt zunächst unbekannte Wörter, identifiziert Schlüsselwörter und schwierige Textstellen. Danach fragt er die Gruppe nach Beispielen oder ähnlichen Erfahrungen. Die Jugendlichen eines Leseteams sollten sich unklare Wörter und Sätze im reziproken Dialog gegenseitig erklären durch Nachschlagen von Begriffen, erneutes Lesen oder Diskussionen.
Hintergrund: Diese Rolle hilft, Unklarheiten aus dem Weg zu räumen.
Der Frager
Unter Verwendung vielfältiger W-Fragen, Verständnis-, Detail- oder auch klärender Fragen klopft der Frager die wichtigsten Informationen eines Textabschnittes ab. Die Gruppe beantwortet und korrigiert diese oder ergänzt sich gegenseitig.
Hintergrund: Diese Rolle fördert die kritische Auseinandersetzung mit dem Gelesenen und vertieft das Verständnis.
Der Zusammenfasser
Diese Rolle fasst den gelesenen Textabschnitt in eigenen Worten zusammen. Diese Zusammenfassung sollte Hauptpunkte und wesentliche Details des Textes enthalten. Die Gruppe kann den Vorschlag dann gemeinsam modifizieren oder durch eine bessere Zusammenfassung ersetzen.
Hintergrund: Dies hilft, das Gelesene zu verarbeiten und die Hauptpunkte zu erkennen.
Der Vorhersager
Die Aufgabe des Vorhersagers ist es, als erster eine Prognose über den weiteren Textverlauf zu machen. Die Gruppe prüft daraufhin den Vorschlag und wägt diesen ab. Natürlich darf jedes Gruppenmitglied daraufhin auch eine eigene, alternative Vorhersage tätigen.
Hintergrund: So wird Vorwissen abgerufen und das Interesse am Text bleibt erhalten.
Die "Lehrkraft"
Fünfergruppen können eine weitere Rolle besetzen: Die "Lehrkraft" fungiert als Moderator und führt durch den Lesezyklus. Sie kann beispielsweise am Anfang des Abschnitts die Überschrift laut vorlesen und die anderen Teammitglieder dazu auffordern, Vorhersagen über den möglichen Inhalt des Textes zu machen. Außerdem kann die "Lehrkraft" einzelne Jugendliche zum Lautlesen ermuntern und sie dabei unterstützen. Zum Abschluss eines Lesezyklus gibt die "Lehrkraft" der gesamten Gruppe oder einzelnen Teammitgliedern ein Feedback. Die fünfte Rolle wird genauso weitergereicht wie alle anderen Rollen.
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Reziprokes Lesen in der Oberstufe – Beispiel
Beispieltext: Die Bedeutung der Bienen für unser Ökosystem
"Bienen spielen eine entscheidende Rolle in unserem Ökosystem. Sie sind nicht nur für die Produktion von Honig verantwortlich, sondern vor allem für die Bestäubung von Pflanzen. Ohne Bienen könnte ein großer Teil unserer Nahrungspflanzen nicht existieren. Bienen tragen dazu bei, dass Pflanzen Früchte und Samen produzieren, was wiederum eine Vielzahl von Tierarten ernährt. Leider sind Bienenpopulationen weltweit gefährdet durch Pestizide, Krankheiten und den Verlust ihres Lebensraums. Es ist daher wichtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Bienen zu schützen und ihre Lebensbedingungen zu verbessern."
1. Bevor die Gruppe den Text liest, versuchen die Schülerinnen und Schüler aufgrund von Titel, Bildern oder Überschriften vorherzusagen, worum es in dem Text gehen könnte. Das hilft, sich auf das Thema einzustellen und aktiviert potenzielles Vorwissen.
Beispiel: "Der Titel lautet "Die Bedeutung der Bienen für unser Ökosyste"‘. Wir denken, der Text wird erklären, warum Bienen wichtig sind und welche Rolle sie in der Natur spielen."
2. Alle Teammitglieder lesen leise den ersten Abschnitt des Textes. Dabei wenden sie vertraute Texterschließungstechniken an (markieren, Randnotizen machen). Alternativ kann das Kind mit der Rolle "Lehrkraft" jemand aus der Gruppe bestimmen, um den Text laut vorzulesen. Lautes Vorlesen fördert das Hörverstehen und hilft schwächeren Lesenden.
Unser Tipp: Lassen Sie die Jugendlichen unterschiedlich farbige Textmarker für Markierungen verwenden, beispielsweise grün für Schlüsselworte, pink für unbekannte Wörter, orange für schwierige Textstellen und so weiter. Anmerkungen sollten sie am besten mit einem Bleistift oder dünnen Fineliner an den Rand schreiben.
3. Fragen: Der "Frager" stellt Fragen (beispielsweise "Was…?", "Wie…?", "Warum…?") und die Gruppe beantwortet diese gemeinsam, um zu überprüfen, ob die wichtigsten Fakten des Textes angekommen sind. Entsprechende Textstellen werden gegebenenfalls noch einmal gemeinsam gelesen.
Beispiel: "Was machen Bienen? Wie tragen Bienen zu unserer Ernährung bei? Warum sind Bienenpopulationen gefährdet?"
4. Klärung: Der "Erklärer" weist auf unbekannte Wörter und unverstandene Textstellen hin. Danach ist die Gruppe gefragt. Gegebenenfalls recherchiert sie in bereitstehenden Lexika oder Nachschlagewerken.
Beispiel: Was bedeuten die Worte "Ökosystem" und "Pestizide"? Wie funktioniert die Bestäubung von Pflanzen? Warum verlieren Bienen ihren Lebensraum?
5. Zusammenfassung: Der "Zusammenfasser" fasst den Text in eigenen Worten zusammen. Die Teammitglieder nehmen seinen Vorschlag auf und entwickeln ihn gegebenenfalls weiter, um herauszufinden: Was ist der Kern des Textabschnitts? Was ist relevant, was nebensächlich? Dabei liegt der Fokus auf der Reduktion auf Kernaussagen. Eine Hilfe für das Zusammenfassen können die vorab geklärten W-Fragen oder die markierten Textstellen sein. Die Gruppe diskutiert so lange über die Zusammenfassung, bis alle Mitglieder mit dem Ergebnis zufrieden sind.
Beispiel: "Nur durch die Bestäubung der Bienen können Pflanzen Früchten und Samen entwickeln. Ohne Bienen haben wir nichts mehr zu essen. Bienen sind bedroht."
6. Vorhersage: Zum Schluss macht der „Vorhersager“ eine Prognose für den nächsten Textabschnitt, der von der Gruppe aufgegriffen wird. Wie könnte der Text weitergehen? Beispiel: „Im nächsten Abschnitt wird es darum gehen, wie wir Bienen schützen können.“
7. Sobald sie sich dem nächsten Textabschnitt zuwenden, wechseln alle Teammitglieder ihre Rollen. Die Aufgaben kreisen im Uhrzeigersinn, alle Jugendlichen geben ihre symbolischen Rollenkarten weiter. So hat jeder Teilnehmende die Möglichkeit, jede Rolle einmal auszufüllen.
8. Mit dem Lesen des nächsten Textabschnittes beginnt der nächste Zyklus. Basis ist die Prognose aus der vorherigen Leserunde: "Welche der Vorhersagen ist im neuen Abschnitt eingetroffen?"
9. Alle weiteren Textabschnitte werden in gleicher Form und Abfolge bearbeitet. Alle Teammitglieder schlüpfen von Abschnitt zu Abschnitt in eine neue Rolle.
Unser Tipp: Zeichnen Sie ein einfaches Schaubild der Methode "Reziprokes Lesen" gute sichtbar an die Tafel oder auf ein Whiteboard, so können die Jugendlichen immer mal wieder kurz "spicken" wenn sie unsicher sind, wie es weitergeht. Dafür eigen sich die Whiteboard-Marker von STAEDTLER ideal.
Reziprokes Lesen in der Oberstufe
In der Oberstufe bietet sich reziprokes Lesen besonders in Fächern an, die viel Lesematerial erfordern, zum Beispiel Deutsch, Geschichte oder Biologie. Die Methode eignet sich außerdem hervorragend zur Vorbereitung auf Prüfungen.
Nutzen für Oberstufenschülerinnen und -schüler
- Verbesserung des Textverständnisses: Oberstufenschülerinnen und -schüler sind oft mit anspruchsvollen Texten konfrontiert, die tiefgehendes Verständnis erfordern. Reziprokes Lesen hilft ihnen, diese Texte systematisch zu analysieren und wesentliche Informationen zu extrahieren.
- Förderung kritischen Denkens: Diskussion und Analyse von Texten in Gruppen ermöglicht den Jugendlichen, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen und kritisch zu bewerten. Dies ist besonders wichtig für die Vorbereitung auf Abiturprüfungen und weiterführende Studiengänge.
- Stärkung der Kommunikationsfähigkeiten: Beim reziproken Lesen müssen Schülerinnen und Schüler ihre Gedanken klar und präzise ausdrücken. Das fördert die mündliche Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, Argumente logisch und kohärent darzulegen.
- Erhöhung der Motivation und des Engagements: Da Schülerinnen und Schüler aktiv in den Lernprozess eingebunden sind und in Gruppen arbeiten, kann dies Motivation und Engagement steigern.
- Entwicklung von Metakognitionsfähigkeiten: Die Jugendlichen lernen, ihr eigenes Verständnis und ihre Lesestrategien zu reflektieren und anzupassen. Dies hilft ihnen, sich selbstständig auf anspruchsvolle Prüfungen vorzubereiten und ihr Lernen effizienter zu gestalten.
Video: Lesetechniken – schneller lesen lernen
Das Video stellt drei unterschiedliche Lesetechniken vor: das visuelle Lesen, das stille Lesen und das laute Lesen. Die Tipps und Tricks kommen auch dem reziproken Lesen zugute
Drei Varianten des reziproken Lesens in der Oberstufe
Lehrkraft-geleitetes reziprokes Lesen
Anfangs übernimmt die Lehrkraft die Rolle des Moderators und führt die Jugendlichen durch die vier Schritte des reziproken Lesens. Allmählich überträgt die Lehrkraft die Verantwortung an die Schülerinnen und Schüler, bis diese in der Lage sind, den Prozess selbstständig in Gruppen durchzuführen.
Dyadisches reziprokes Lesen (Partnerarbeit)
Hier arbeiten zwei Jugendliche zusammen und wechseln sich in den Rollen ab. Ein Gruppenmitglied liest einen Abschnitt, das andere übernimmt eine der vier Aufgaben (Vorhersagen, Fragen stellen, Klären, Zusammenfassen). Dann tauschen die Rollen. Diese Variante fördert intensive Zusammenarbeit und ermöglicht Schülerinnen und Schülern individuellere Unterstützung zu erhalten.
Themenbasiertes reziprokes Lesen
In dieser Variante konzentriert sich die Gruppe auf spezifische Themen oder Fragestellungen, die im Text vorkommen. Das ist dann sinnvoll, wenn der Text viele verschiedene Themen behandelt. So kann jede Gruppe ein anderes Thema bearbeiten und ihre Erkenntnisse später mit der Klasse teilen.
Reziprokes Lesen: einführen und etablieren
Die Einführung von reziprokem Lesen erfordert eine mehrstündige Übungsphase. Am Anfang lesen Sie als Lehrkraft die Textausschnitte vor und beschreiben dann modellhaft ihre eigenen Gedankengänge, während Sie die vier Strategien des reziproken Lesens anwenden (Methode: lautes Denken). Ziehen Sie sich dann schrittweise aus ihrer Rolle zurück und lassen Sie die Strategien von der Klasse nach und nach selbst anwenden. Diese Einführungs- und Festigungsphase sollte etwa 10-15 Lesestunden umfassen.
Wir unterstützen Sie bei der Unterrichtsvorbereitung
Natürlich können wir Ihnen die Unterrichtsvorbereitung inhaltlich nicht abnehmen, allerdings sorgen wir gerne dafür, dass Sie für die Einführung einer neuen Lernmethode, wie dem reziproken Lesen, bestens mit Schulmaterial ausgestattet sind. In unserem Geschäft in Willich bekommen Sie Textmarker, Whiteboard-Marker, Bleistifte, Radiergummis oder Scheren – zum Beispiel von STAEDTLER – aber auch Fotokarton oder festes Papier zum Basteln der Rollenkarten. Kommen Sie doch einfach mal vorbei – wir von ERREN beraten Sie gerne und freuen uns auf Ihren Besuch.